Interview Erzpriester Sergey Baburin

05.04.2022

MOPO: Erzpriester Baburin, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, hat russische Soldaten aufgefordert, ihren vaterländischen Eid zu erfüllen. Er hat den Krieg gegen die Ukraine gesegnet. Sie hingegen sammeln seit Kriegsbeginn Spenden für ukraini-sche Flüchtlinge. Wie beurteilen Sie die Haltung des Patriarchen?

Baburin: Ich habe mir die jüngste Predigt des Patriarchen angehört. Die meisten Zuhörer waren Soldaten und natürlich haben die darauf gewartet, dass der Patriarch seinen Segen gibt zum Krieg. Aber es gab keine direkte Segnung für den Krieg, auch wenn viele das daraus gehört haben.
…und natürlich haben sie auf die Worte des Patriarchen gewartet. Und er sagte, wir alle müssen alles tun, um das Blutvergießen zu beenden.

MOPO: Der Patriarch hat aber den Angriff auf die Ukraine als metaphysischen Kampf von Gut gegen Böse gerechtfertigt. Er nannte als Beispiel Schwulenparaden.

Baburin: Der Patriarch ist eine Figur des öffentlichen Lebens, er äußert sich zu vielen Fragen. Die Äußerungen, von denen Sie sprechen, sind private Äußerungen des Patriarchen. Diese sind für uns nicht bindend. Wir beten für Ihn als geistlichen Lehrer.

MOPO: Benutzen Sie das Wort ‘Krieg‘?

Baburin: Ja, das tue ich vom Kontext abhängig.

MOPO: Die russisch-orthodoxen Gemeinden in Amsterdam und in Belgien beten nicht mehr für Kyrill. Wegen seiner Unterstützung des Krieges.

Baburin: Die Geistlichen in diesen Gemeinden sind Holländer, die können vielleicht eher sa-gen ‚ich nehme das nicht an‘. Für mich geht das nicht. Ein russisches Sprichwort dazu sagt: Mein Herz wird mit Blut übergossen.

MOPO: Was muss passieren, damit Sie sich vom Patriarchen Kyrill lossagen?

Baburin: Wenn er eine falsche christliche Lehre verbreiten würde. Aber nicht wegen seiner politischen Äußerungen.

MOPO: Trotzdem sagen Sie, dass ihr Herz blutet.

Baburin: Ich hielt das immer für eine Metapher, aber heute weiß ich, es ist ein realer Zu-stand. Ich bin zu einem Achtel Ukrainer, meine Ehefrau kommt aus der Ukraine, meine Söh-ne haben zwei Großmütter, eine in Russland, eine in der Ukraine. Es ist ein ständiger Schmerz, selbst im Schlaf.

MOPO: Gibt es Gemeindemitglieder, die den Krieg gutheißen? Die glauben, dass die Ukrainer Nazis sind?

Baburin: Unsere Kirche ist kein Ort für politische Diskussionen. Ich weiß, dass uns das vorge-worfen wird, wir bekommen viele Mails dazu, jeden Tag werden wir aufgefordert, politische Bekenntnisse abzugeben. Jeden Tag, von allen Seiten. Uns wird gesagt, dass man mit Gebe-ten nicht mehr weit kommt. Es tut weh, das zu hören, aber der Glaube soll die Menschen vereinen, die Politik bringt sie auseinander.

MOPO: Das klingt jetzt sehr idealistisch in Kriegszeiten.

Baburin: Ein Beispiel: Wir sind fünf Priester in der Gemeinde, einer aus der Ukraine, einer aus Estland, einer aus Belarus und zwei aus Russland. Geistlich sind wir eins, aber politisch überlassen wir jedem seine persönliche Überzeugung. Die Politik bleibt vor der Kirchentür.

MOPO: Aber hinter der Kirchentür hilft die Gemeinde den Leidtragenden der Politik.

Baburin: Wir sammeln Geld, mit dem sofort und ohne bürokratischen Aufwand geholfen wird. Wir nehmen Familien im Tschaikowsky-Haus neben der Kirche auf, jeweils rund eine Woche, um die ersten Schritte zu begleiten. Rund 100 Freiwillige helfen bei allem, etwa als Dolmetscher. Es ist eine große Not, wir helfen. Darum geht es im Christentum im Bezug auf die Nächstenliebe.

MOPO: Es ist schwer zu verstehen, dass der Patriarch in Moskau den Krieg rechtfertigt und Sie hier die Ukrainer in Not versorgen. Was sagt Moskau denn dazu?

Baburin: Das steht in keinem Konflikt. Der Patriarch selbst ruft alle orthodoxen Kirchenge-meinden zur Hilfe auf. Unser Erzbischof in Berlin ist auch extrem engagiert, nimmt selbst Busse mit Flüchtlingen in Empfang.

MOPO: Ganz ehrlich, das ist für Außenstehende kaum zusammenzubringen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Bilder aus Butscha gesehen haben?

Baburin: Wenn bewiesen ist, wer für diese Gräueltaten verantwortlich ist, dann müssen die Täter bestraft werden.

MOPO: Hadern Sie jemals mit Gott?

Baburin: Gott gibt Antworten. Gerade heute während der Liturgieist etwas Interessantes passiert: Wir lasen ein salomonisches Gleichnis aus dem Alten Testament. Der Aufbrausen-de, heißt es darin, zündet Konflikte an. Und der Geduldige befriedet die Kriege 15:18.

Das heißt: Wenn ich Informationen bekomme, die mich aufbrausen lassen, dann muss ich meine Emotionen unter Kontrolle bringen, in einem Gebet. Und dann kann ich darüber spre-chen und geduldig die Kriege befrieden.

MOPO: Das klingt etwas weltfremd.

Baburin: Wissen Sie, ich bin kein Politiker. Ich bin es gewohnt, so zu sprechen.

MOPO: Kommt ein Soldat, der einen gefesselten Zivilisten erschießt, in die Hölle? Kommt Putin in die Hölle?

Baburin: Das hat keiner von uns Menschen zu entscheiden, Gott sei Dank. Christus hat noch für Judas gekämpft, als Er schon den Leidensweg betrat.
Und im Lukas- Evangelium lesen wir Jesu Worte, gerichtet an den neben Ihm gekreuzigten Räuber: Wahrlich ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein 23:43.
MOPO: Das Morden, was in der Ukraine passiert, lässt Sie nie in Ihrem Glauben schwanken?
Baburin: Gott hat uns kein einfaches Leben versprochen. Aber hat versprochen, bei uns zu bleiben und uns zu helfen, unser Kreuz zu tragen.

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Pfarrer: Priester Sergey Baburin
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