Weihnachtsbotschaft
des Erzbischofs Tichon von Rusa,
Vorstehers der Diözese von Berlin und Deutschland,
an den Klerus, die Mönche und Nonnen und die Laien
Geliebte Väter!
verehrte Mönche und Nonnen, liebe Brüder und Schwestern!
Ich beglückwünsche euch alle zum großen Fest! Heute ist unser Denken ausgerichtet auf Bethlehem, wo sich die Geburt Christi vollzog. Über dieses Ereignis wird viel gesprochen, aber mehr über seine äußere Seite. Von der Erscheinung Gottes im Fleische (1. Tim 3,16), von Seinem Kleinwerden aus Liebe zum Menschengeschlecht zu hören, ist selten geworden. Man erzählt von den Volksbräuchen, der Küche, der Dekoration des Hauses. Das Bild des Festes wird geprägt von den Weihnachtsbäumen und den Lichtern. Das Fernsehen wirbt für irgendeine „Weihnachtsstimmung“, irgendein „Wunder“, das alle Probleme löst und Glück bringt. Aber die Großartigkeit der Geburt Christi hat nichts gemeinsam mit all dem. Die Geburt Chisti ist ein außerordentliches und großes Ereignis, das es seit Anbeginn der Existenz der Welt nicht gegeben hatte und dass sich nie ein zweites Mal wiederholen wird. Nach der Geburt Christi strebt alles in der Geschichte entweder hin zu Ihm oder entfernt sich von Ihm.
Dem wundersamen Ereignis gingen mehrere Jahrtausende der Vorbereitung voraus. Nachdem die Morgendämmerung der Menschheitsgeschichte durch den Sündenfall verdunkelt worden war, gab Gott, als Er Adam und Eva, die gegen Sein Gebot gesündigt hatten, aus dem Paradies entfernte, die Verheißung, dass die Zeit kommen werde, in der „der Same des Weibes den Kopf der Schlange zertritt“ (Gen 3,15) und der Erretter kommen wird. Von der Geburt des Erlösers verkündeten die alttestamentlichen Propheten voraus. Diese Prophezeiungen waren klar und bestimmt. Sie gaben den Menschen die Möglichkeit, in vollem Maße zu wissen, wer genau geboren werden sollte, wo, von wem und unter welchen Umständen (Micha 5,2; Bar 3,36; 38; Jes 7,14). Alle waren in Erwartung. Schließlich, „als die Fülle der Zeit gekommen war“, sagt der heilige Bischof Leo von Rom in seinem Wort über die Geburt Christi, „nahm der Sohn Gottes die menschliche Natur an, um uns mit dem Schöpfer zu versöhnen und den Erfinder des Todes auch durch den Tod zu besiegen. Der Allmächtige Herr tritt gegen den schärfsten Feind an, nicht in Seiner Majestät, sondern in unserer demütigen Gestalt… (Phil 2,7)“.
Warum, so mögen sich einige fragen, musste Gott bei all Seiner Macht Mensch werden, um als Person in die Geschichte des Menschengeschlechts einzutreten? Die Antwort ist eindeutig: um zu wissen, wie der Mensch im Fleisch lebt, um ihn vom ewigen Tod zu erlösen und in den Himmel zu erheben. „Zu diesem Zweck hat der Erlöser alle Versuchungen außer der Sünde ertragen“, sagt der selige Hieronymus, „damit er Mitleid und Erbarmen mit unseren Schwächen habe und aus Erfahrung wisse, welche Mühen die Sterblichen im Fleisch ertragen“. Der heilige Bischof Gregorios von Nyssa fügt hinzu, dass „Christus dazu geboren ward, um das ganze verunreinigte menschliche Leben zu reinigen und zu heiligen vom Anfang bis zum Ende. Das wäre unmöglich, wenn Er nicht durch die Geburt das Dasein erhalten und es nicht durch den Tod beendet hätte“.
Welches Gut könnte höher sein? Welche Gabe könnte für uns kostbarer sein? Denkt nur daran, was dieses Geschenk den Herrn selbst kostete? Er wurde im Fleisch geboren, um das ganze Leben auf Erden, den Weg der äußersten Erniedrigung und der Leiden zu gehen, das ganze Leben lang das Kreuz zu tragen und schließlich daran zu sterben (vgl. 2 Kor 5,21; Phil 2,7). Nach den Worten der heiligen Väter „ist Christus nicht dazu auf der Erde geboren, um zu leben. Er, der Seiende, brauchte dafür keine irdische Geburt. Er wird dazu geboren, um zu sterben, um in den Hades hinabzusteigen und ‚sein Volk von seinen Sünden zu erlösen’ (Mt 1,21).“ Wo, wem und wann ist die Liebe Gottes in einem so außerordentlichen Maße erschienen wie sie uns jetzt offenbart wurde?
Was sollen wir dem Herrn, unserem Gott, für die Liebe wiedergeben, die uns im Geheimnis Seiner Menschwerdung offenbart wurde? Alle Liebe fordert Gegenliebe, und die unendliche Liebe Gottes verlangt von uns die gleiche grenzenlose Liebe zu Gott. „Wenn ihr mich liebt“, sagte der Heiland Christus, „dann haltet meine Gebote“ (Jo 14,15). Beweisen wir unsere Liebe zu Gott durch die Erfüllung Seiner heiligen Gebote. Indem er sie erfüllt, wird der Mensch mit Gott vereinigt und bleibt in Seiner Liebe. Danken wir dem jetzt Geborenen für Seine Liebe zu uns und die Befreiung von Sünde und ewigem Tod, und freuen wir uns geistlich. Mögen all unsere Gedanken in diesen heiligen Tagen mit nichts anderem beschäftigt sein als mit der Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung Gottes und dessen, was der Herr Jesus Christus für uns getan hat. Er ist zu allen Menschen gekommen, damit jeder einen Platz für Ihn habe, und um allen das Heil und das ewige Leben zu schenken.
+TICHON
Erzbischof Tichon von Rusa,
Vorsteher der Diözese von Berlin und Deutschland
Christgeburt
25. Dezember / 7. Januar 2024
Berlin
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